Dr. Peter v. Feldmann

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Berlin a.D.

Polen – demokratischer Rechtsstaat in Gefahr? – Teil 10

(zum Teil 9)

 

1. Mai 2017

Fortsetzung meines unter dem Titel „Polen- demokratischer Rechtsstaat in Gefahr?“ am 10. Mai 2016 begonnenen Berichts1 über den Versuch, Polen in einen autoritären Staat zu verwandeln, mit Schwerpunkt auf der Rechtsentwicklung

34. Nachtrag zur 4. Fortsetzung unter Nr. 29

1. Die Berufung Przyłębskas2 ist auch nach den PiS-Vorschriften rechtswidrig

Wie erst aus der Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Berufung Przyłębskas zur Präsidentin erkennbar wird, kommt noch eine gravierende Verletzung der Vorschriften des PiS-Einführungsgesetzes zum neuesten TK-Gesetz hinzu. Dort heißt es in Art. 21 Abs. 8:

In dem Fall, dass die erforderliche Stimmenzahl im Sinne von Abs. 7 <d.h.5> nur ein Richter erhielt, stellt die Allgemeine Richterversammlung in der Form eines Beschlusses als Kandidaten für das Amt des Tribunalpräsidenten denjenigen Richter des Tribunals vor, der die erforderliche Zahl von wenigstens fünf Stimmen erhalten hat, sowie denjenigen Richter des Tribunals, der den höchsten Stimmenanteil unter den Richtern des Tribunals aufweist, die nicht die erforderliche Zahl von mindestens fünf Stimmen erhalten haben.“

Der Sinn dieser Regelung liegt auf der Hand: Die Allgemeine Richterversammlung soll sich mit dem betreffenden Beschluss damit einverstanden erklären, dass der zweite vorgestellte Richter trotz seiner geringen Stimmenzahl dem Staatspräsidenten vorgeschlagen wird.

In der entscheidenden Richterversammlung am 20. Dezember 2016 ist ein solcher Beschluss aber nicht gefasst worden. Przyłębska hat lediglich durch Schreiben an den Staatspräsidenten sich selbst und den Richter Muszyński benannt. Der Hintergrund dafür ist anscheinend3: Die „alten“ Richter hatten zwar an dieser Allgemeinen Richterversammlung teilgenommen, jedoch unter Protest gegen die Ablehnung ihres Vertagungsantrags bei der Abstimmung über die Kandidaten ihre Stimmkarten nicht ausgefüllt. Przyłębska musste daher befürchten, dass eine Mehrheit oder zumindest die Hälfte der anwesenden Richter gegen den erforderlichen Beschluss stimmen würden.

Aber dies ist alles Spiegelfechterei, weil nach den auf Przyłębska zugeschnittenen Regelungen der PiS-Gesetze über den TK sie immer die Mindeststimmenzahl von fünf erreicht hätte, gleichgültig wie die anderen Richter abstimmen. Es kommt daher allein darauf an, ob überhaupt und wie gerichtlich über die Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetze, insbesondere hinsichtlich der darin vorgesehenen Bestimmungen über das Wahlverfahren in der Allgemeinen Richterversammlung, entschieden werden kann.

2. Entscheidung des Obersten Gerichts über die Rechtmäßigkeit der Wahl Przyłębskas?

In dem entstandenen Rechtschaos ist keine Konstellation undenkbar. Rzepliński hatte als TK-Präsident beim Zivilgericht beantragt, durch einstweilige Verfügung den drei illegal gewählten drei PiS-Richtern4 die Teilnahme an Entscheidungen des TK zu untersagen und gegen die erstinstanzliche Ablehnung seines Antrags im November 2016 Beschwerde eingelegt. Diese hatte nun inzwischen Przyłębska nach ihrer Berufung zur Präsidentin zurückgenommen. Das Beschwerdegericht legte jedoch die Sache mit der Frage dem Obersten Gericht5 (Sąd Najwyszy; im folgenden SN) vor, ob Przyłębska im Hinblick auf Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Berufung zur Rücknahme der Beschwerde befugt ist.6

Eine Entscheidung des SN liegt anscheinend noch nicht vor.

35. Wie geht es weiter mit dem TK?

1. Weiter Streit um die Besetzung der Richterbank

Mit der Ernennung Przyłębskas zur Präsidentin des Verfassungstribunals hat die Regierungspartei ihr Ziel erreicht, das Gericht faktisch als das in der Verfassung vorgesehene Organ zur Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung auszuschalten. Obgleich das Gericht noch nominell mit acht „alten“ Richtern neben sieben PiS-Richtern besetzt ist, hat es die Präsidentin in der Hand, ob überhaupt und mit welcher Besetzung über verfassungsrechtlich umstrittene PiS -Gesetze entschieden wird.

Darüber hinaus endet die Wahlperiode des Vizepräsidenten Biernat im Juni 2017. Aber Przyłębska hat ihn im Hinblick auf eine längere Zeit von ihm nicht in Anspruch genommenen Urlaubs mit einer ihrer ersten Amtshandlungen für die verbleibende Zeit beurlaubt. Jetzt waren es von den sieben verbliebenen „alten“ Richtern nur noch sechs.

Inzwischen hat Biernat jedoch in einem offenen Brief an Przyłębska7 erklärt, dass er am 1.April 2017 seinen Dienst wieder aufnehmen werde, weil nach arbeitsrechtlichen Vorschriften der in vergangenen Jahren nicht ausgenutzte Urlaub verfallen sei. Er wies ferner darauf hin, dass die Präsidentin in zahlreichen Fällen die bereits festgelegte Richterbesetzung geändert habe und erklärte dazu:

Diese Änderungen dienten dazu, mich von diesen Besetzungen auszuschließen …Es handelt sich um 11 Sachen, in denen ich Berichterstatter, elf Sachen, in denen ich Vorsitzender, 46 Sachen, in denen ich Mitglied der Besetzung war..“8

Auch unabhängig von der Person Biernats geht der Streit über die „richtigen“ Richter weiter. So hatte der Vertreter der Bürgerrechte vor der Entscheidung über seine Verfassungsklage gegen ein hier nicht weiter interessierendes Gesetz aus dem Jahre 2001 den Ausschluss von zwei der von Przyłębska für die Entscheidung nominierten Richter beantragt. Dabei bezog er sich auf die vom TK im Vorjahr getroffenen Entscheidungen9 über deren illegale Wahl durch die PiS-Mehrheit im Sejm. Das Gericht entschied10 mit Przyłębska als Berichterstatterin, also der Verfasserin des Beschlusstextes, dass die Verfahrensregelungen über den Ausschluss von Richtern eine Entscheidung über die Frage ihrer rechtmäßigen Berufung nicht zulasse. Dies wurde in der üblichen juristischen Form begründet und ist hier nicht zu kommentieren. Przyłębska konnte es jedoch nicht unterlassen, zusätzlich unverblümt und unbeeindruckt auch von der internationalen Kritik die PiS – Propaganda gegen diese früheren TK-Entscheidungen zu wiederholen:

Im Übrigen ist hinzuzufügen, dass die Berufung des Antragstellers auf die Entscheidungen unter den Signaturen K 47/1511 und K 49/16 keine Entscheidungen des Tribunals im Sinne von Art. 190 Abs. 1 der Verfassung unter Berücksichtigung dessen sind, dass sie mit einem wesentlichen Rechtsmangel behaftet sind. Ferner wurden sie nicht in dem dafür vorgesehenen Amtsblatt veröffentlicht, weswegen ihnen nicht die verfassungsrechtliche Bedeutung allgemeinverbindlicher und endgültiger Entscheidungen des Verfassungstribunals… zukommt…“

Das ließ natürlich die „alte“ Richterin Pyziak-Szafnicka, die selbst an der umstrittenen Plenarentscheidung vom 9. März 2016 teilgenommen hatte, nicht auf sich sitzen und verfasste zu einem -hier als solches nicht interessierenden Urteil des TK12 ein umfangreiches abweichendes Votum, in dem die rechtswidrige Besetzung des Gerichts sowohl beim Beschluss über den Nichtausschluss der betreffenden Richter als auch bei der Entscheidung in der Sache selbst geltend gemacht wird.13

Ich führe diese unendliche Geschichte hier nicht weiter aus, weise aber nur auf einen offenkundigen, im abweichenden Votum genannten Fehler Przyłębskas bei der Bildung des Spruchkörpers in der Beschlusssache hin: Der Richter Cioch hätte dabei nicht mitwirken dürfen, weil die vom Vertreter der Bürgerrechte vorgebrachte Begründung für den Ausschluss der beiden anderen Richter, nämlich die Rechtswidrigkeit ihrer Wahl, auch ihn selbst betrafen.

Aber damit nicht genug.

2. Justizminister und Generalstaatsanwalt Ziobro geht gegen drei „alte“ Richter vor

Ziobro hat inzwischen beim TK beantragt, die Verfassungswidrigkeit der Wahl von drei „alten“ Richtern durch den Sejm im Jahre 2010 beim TK festzustellen und geltend gemacht, Spruchkörper mit der Beteiligung dieser Richter seien rechtswidrig und ihre Urteile womöglich ungültig.14

Der zu Grunde liegende Sachverhalt und Ziobros Antragsbegründung seien hier kurz dargestellt:

2010 waren drei Richterstellen beim TK neu zu besetzen. Für die Wahl im Sejm waren fünf Kandidaten vorgeschlagen. Nach dem Protokoll15 über das Ergebnis der namentlichen Abstimmung stimmten die Abgeordneten jeweils einzeln für drei und gegen zwei der auf der Stimmkarte aufgeführte Kandidaten ab.16 Als Ergebnis der Abstimmung wurde ein Beschluss veröffentlicht17, nach dem die fraglichen drei Personen zu TK-Richtern gewählt werden und deren Wahlperiode am 3. Dezember 2010 beginnt.

Ziobro beruft sich auf Art. 194 Abs. 1 der Verfassung, wonach sich das Verfassungstribunal aus 15 „individuell auf neun Jahre vom Sejm gewählten Richtern“ zusammensetzt. In der Begründung seines Antrags heißt es im Wesentlichen:

..Es wurden drei Richter gewählt, weil drei Richterstellen zu besetzen waren. Diese Personen wurden gemeinsam gewählt in einer Art, die man oft als Blockwahl bezeichnet, in der Personen gewählt worden sind, die die meisten Stimmen unter allen Kandidaten erhalten haben. Es ist also nicht bekannt, welche Person jeweils auf wessen Stelle der ausscheidenden TK-Richter gewählt worden ist… Jeder TK -Richter muss vom Sejm in einer getrennten individuellen Abstimmung im Wege eines abgetrennten Beschlusses gewählt werden..

Der Antragsteller erhebt entsprechende Einwendungen gegen § 2 des angefochtenen Beschlusses. Darin wird ein einheitliches Datum des Beginns der Wahlperiode aller Richter benannt. Die Wahlperiode wird also nicht individualisiert, wie es Art. 194 Abs. 1 der Verfassung verlangt… Sie muss also verbunden sein mit dem Namen einer konkreten Person, die auf das Amt eines TK-Richters gewählt worden ist…“

M.E. ist diese Begründung offenkundig abwegig. Der veröffentlichte Beschluss fasst lediglich das Ergebnis einer ordnungsgemäßen individuellen Abstimmung zusammen. Die Verfassung gibt auch nichts dafür her, dass ausdrücklich für jeden gewählten Richter festgelegt wird, auf welche bestimmte freigewordene Stelle er gewählt ist und auch nicht, dass individuell der Beginn der Wahlperiode festgelegt werden muss.

Der Vorstoß Ziobros hatte jedoch Erfolg, wie unten im Zusammenhang mit der Verhandlung über die Verfassungsmäßigkeit der Änderungen des Versammlungsgesetzes dargelegt wird.

Jetzt waren es nur noch drei nicht von PiS gewählte Richter.

3. Der TK soll auch die Wahl der Ersten Präsidentin des Obersten Gerichts annullieren

Das Beispiel Ziobros macht Schule. Eine Gruppe von PiS- Abgeordneten hat beim TK beantragt, die Wahl der Ersten Präsidenten des Obersten Gerichts Małgorzata Gersdorf im Jahre 2014 für ungültig zu erklären.18

Politischer Hintergrund für diese Aktion ist, dass die Erste Präsidentin -wie bereits früher erwähnt- kraft ihrer entsprechenden verfassungsrechtlichen Klagebefugnis19 mehrere Verfassungsklagen gegen die PiS-Gesetzgebung über den TK erhoben hatte. Erschwerend kommt hinzu, dass Gersdorf eine führende Persönlichkeit im Widerstand der Richterschaft gegen die Pläne Ziobros zur Umgestaltung der Justiz ist.20

Mit dem Antrag wird die Feststellung der Verfassungswidrigkeit aller gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen über die Wahl des Ersten Präsidenten des SN begehrt. Es handelt sich um die betreffenden Regelungen im Gesetz über das Oberste Gericht von 200221 und das Statut der Allgemeinen Richterversammlung des SN von 2003.22 Ferner soll die Ungültigkeit aller auf dieser Grundlage getroffenen Entscheidungen festgestellt werden, also vor allem die Berufung Gersdorfs zur Ersten Präsidentin des SN.

Die maßgebliche Bestimmung der Verfassung lautet:

Art. 183 Abs. 3: „Den ersten Präsidenten des Obersten Gericht beruft der Präsident der Republik für eine sechsjährige Wahlperiode aus Kandidaten, die ihm von der allgemeinen Richterversammlung des Obersten Gerichts vorgestellt worden sind.“

Zur Begründung der Verfassungswidrigkeit der im Wesentlichen seit 15 Jahren geltenden Regelungen wird geltend gemacht:

a) Die Übertragung der Kompetenz zur Reglung der Kandidatenwahl auf die Allgemeine Richterversammlung als inneren Akt des Gerichts durch das Gesetz über den SN ist verfassungswidrig, weil rechtsstaatliche Grundsätze eine gesetzliche Reglung verlangen;

b) das Gesetz ist ferner verfassungswidrig,weil es keinen förmlichen Beschluss der Allgemeinen Richterversammlung über die Benennung der Kandidaten gegenüber dem Staatspräsidenten vorsieht;23

c) der Beschluss der Allgemeinen Richterversammlung über das Statut hinsichtlich der Kandidatenwahl ist verfassungswidrig, weil er nicht die erforderliche gesetzliche Regelung ersetzen kann;

d) die Regelung des Statuts, wonach der Vorsitzende der Allgemeinen Richterversammlung dem Staatspräsidenten die Kandidaten vorstellt, ist verfassungswidrig, weil dies zur Kompetenz der Allgemeinen Richterversammlung selbst gehört.

Dem dürfte entgegen zu halten sein, dass der Gesetzgeber nach der Verfassung die selbstverständliche Kompetenz hat, die technischen Regelungen für die Durchführung der Wahl der Kandidaten durch die Allgemeine Richterversammlung diesem Organ der gerichtlichen Selbstverwaltung zu überlassen, wenn er sie nicht selbst erlässt Denn Art. 194 Abs. 2 bestimmt in diesem Sinne nur kurz und bündig:

Den Präsidenten und den Vizepräsidenten beruft der Präsident der Republik aus den Kandidaten, die ihm die Allgemeine Versammlung der Richter des Verfassungstribunals vorgeschlagen hat.“

Der Streit zwischen den in vorangegangenen Wahlperioden und den von PiS gewählten Richtern setzt sich in Briefen fort, die in der Presse sowohl von der einen24 als auch von der anderen25 Seite lebhaft kommentiert werden. So beantragten in einem an Przyłębska gerichteten Schreiben sieben „alte“ Richter, aber überraschenderweise auch der von PiS gewählte Richter Pszczółkowski, die Einberufung der Allgemeinen Richterversammlung zusammen mit der Einladung des Staatspräsidenten Duda als Wächter über die Verfassung zur Teilnahme an dieser. Zur Begründung wurden die vorgenannten Gesetzesverletzungen bei der Leitung des Tribunals aufgeführt, namentlich die Manipulation der Besetzung der Richterbank, insbesondere des Ausschlusses von drei Richtern durch Verzögerung der Entscheidung über den betreffenden Antrag Ziobros. Fünf PiS-Richter antworteten darauf, dass die anderen TK-Richter mit ihrer Erklärung „die rechtlichen und ethischen Standards für öffentliche Erklärungen von Richtern“ überschritten „und einen Teil unserer Kollegen darin beleidigt und herabgesetzt“ hätten.. Sie erhoben entschieden Widerspruch gegen die nach ihrer Meinung ungesetzlichen und grundlosen Forderungen dieser Richter. In der gegenwärtigen Situation sähen sie „keine Möglichkeit eines Treffens im Kreise aller Richter außerhalb einer rechtmäßig einberufenen Allgemeinen Versammlung.“

4. Die beiden Richterfraktionen bekriegen sich auch öffentlich

Der Streit zwischen den in vorangegangenen Wahlperioden und den von PiS gewählten Richtern setzt sich in Briefen fort, die in der Presse sowohl von der einen26 als auch von der anderen27 Seite lebhaft kommentiert werden. So beantragten sieben „alte“ Richter, aber überraschenderweise auch der von PiS gewählte Richter Pszczółkowski, in einem an Przyłębska gerichteten Schreiben die Einberufung der Allgemeinen Richterversammlung zusammen mit der Einladung des Staatspräsidenten Duda zur Teilnahme an dieser als Wächter über die Verfassung. Zur Begründung wurden die vorgenannten Gesetzesverletzungen bei der Leitung des Tribunals aufgeführt, namentlich die Manipulation der Besetzung der Richterbank, insbesondere des Ausschlusses von drei Richtern durch Verzögerung der Entscheidung über den betreffenden Antrag Ziobros. Fünf PiS-Richter antworteten darauf, dass die anderen TK-Richter mit ihrer Erklärung „die rechtlichen und ethischen Standards für öffentliche Erklärungen von Richtern“ überschritten „und einen Teil unserer Kollegen darin beleidigt und herabgesetzt“ hätten.. Sie erhoben entschieden Widerspruch gegen die nach ihrer Meinung ungesetzlichen und grundlosen Forderungen dieser Richter. In der gegenwärtigen Situation sähen sie „keine Möglichkeit eines Treffens im Kreise aller Richter außerhalb einer rechtmäßig einberufenen Allgemeinen Versammlung.

5. Der Normalbetrieb im TK läuft teilweise weiter

Das Rechtschaos, das im TK im Bereich der im Sinn von PiS „politischen Verfahren“ herrscht, betrifft durchaus nicht jeglichen Fortgang der Verfassungsrechtsprechung in anderen Verfahren. Daher bedarf es zur richtigen Einschätzung der Politik der von PiS auf die geschilderte Weise eingesetzten neuen Präsidentin einer Ergänzung. Die Erledigung derjenigen Streitsachen, die die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen aus früheren Wahlperioden des Sejm betreffen, geht anscheinend weiter. So sind drei Sachen im März in der 5er-Besetzung entschieden worden.28 Für April sind weitere drei in derselben Besetzung angesetzt.29 Es fällt dabei auf, dass in diesen sechs Verfahren fast nur „alte“ Richter als Berichterstatter für die Arbeit der Vorbereitung und der Urteilsabsetzung benannt sind.30


1 Links: https://kodgrupaberlin.wordpress.com/2017/01/16/polen-demokratischer-rechtsstaat-in-gefahr-teil-9/ ; ferner gebe ich einen Überblick auf die Rechtsentwicklung in Polen im Aprilheft der Zeitschrift „Polen und wir“ https://issuu.com/kontaktpress/docs/puw2017-2

2 Ihr Ehemann, der polnische Botschafter in Berlin Przyłębski, geriet inzwischen erneut in die Schlagzeilen, weil die Akten über seine Verpflichtung als Student zur informellen Mitarbeit für den kommunistischen Sicherheitsdienst (poln.tw- tajny współpracownik Służby Bezpiecieństwa-geheimer Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes) vom IPN veröffentlicht wurden.

3 Entgegen den üblichen Gepflogenheiten des TK ist das Protokoll der Sitzung nicht veröffentlicht; die Fakten ergeben sich aus nicht dementierten Medienberichten, insbesondere dem Interview der Gazeta Wyborcza mit Vizepräsident Biernat vom 20.1.2017

4 In den Medien werden diese oft als Doubles („dublerzy“) der rechtmäßig vom Vorgängersejm gewählten, aber nicht von Duda vereidigten Richter bezeichnet.

5 als Revisionsinstanz zuständig für Zivil-, Straf und Militärsachen

6 Gazeta Prawna v. 13.2.2017

7 Schreiben vom 14. März 2017, GW v. 23.3.2017

8 Przyłębskas lapidare Antwort: Mit Bedauern und betrübt habe ich Ihr an mich gerichtetes Schreiben vom 22. März 2017 erhalten. Ich teile Ihnen ergebenst mit, dass ich Ihnen bis zum 26. Juni 2017 Erholungsurlaub gewährt habe. Ich bitte Sie, von diesem Urlaub gemäß den geltenden Vorschriften Gebrauch zu machen. Zugleich informiere ich Sie darüber, dass Sie gemäß den ebenfalls für TK-Richter geltenden Bestimmungen nicht auf Erholungsurlaub verzichten können(w Polityce 27.3.2017)

9 Vom XXX

10 Beschluss vom 5.2.2017, Amtliche Sammlung der Rechtsprechung des TK (Orzecznictwo Trybunału Konstytucyjnego Zbiór Urzędowy im folgenden OTK 2017 Serie A Nr. 7; ebenso Beschluss v. 19.4.2017 OTK A/2017 Nr. 27.

11 Plenarentscheidung vom 9. März 2016 über die Verfassungswidrigkeit der ersten PiS-Novelle zum TK-Gesetz (OTK 2016 Serie A Nr. 2)

12 v. 23.2.2017 -OTK 2017 Serie A Nr. 9

13 Ebenso erklärte der alteRichter Rymar in einem abweichenden Votum (Urteil v. 4. 4.2017 -P 56/14-), dass der an der Entscheidung beteiligte Henryk Cioch (PiS-Double) kein Richter am Verfassungstribunal sei, so dass Urteile unter seiner Mitwirkung ungültig seien.

16 Z.B. stimmte der Abgeordnete J. Kaczyński für einzelne Kandidaten.und gegen einzelne 4andere Kandidaten…

17 Monitor Polski 2010 Nr. 93 poz. 1067

19 Art. 191 Abs. 1 Nr.1

20 Gersdorf rief mehrfach öffentlich zum Widerstand gegen Ziobros Pläne zur Umgestaltung der Justiz auf (Dabei soll uns jedes Gericht eine Festung werden, GW 31. 1.2017) .

21 Art. 16 § l Nr. l und 3 des Gesetzes über das Oberste Gericht (Ustawa o Sądzie Najwyszym) vom 23. November 2002 (Dz. U. 2016 r. poz. 1254)

22 Beschluss der Allgemeinen Richterversammlung des Obersten Gerichts vom 14. April 2003 über das Statut für die Wahl von Kandidaten für das Amt des Ersten Präsidenten (uchwała Zgromadzenia Ogólnego Sędziów Sądu Najwyższego z dnia 14 kwietnia 2003 r. w sprawie regulaminu wyboru kandydatów na stanowisko Pierwszego Prezesa Sądu Najwyższego)

23 Gerade ein solcher Beschluss, der jetzt im PiS-Gesetz ausdrücklich vorgeschreiben ist, wurde, wie oben erwähnt, im Fall der Kandidatenwahl Przyłębska/Musiński nicht erlassen.

24 GW v. 7. 4. 2017

26 GW v. 7. 4. 2017/span>

28 Sie betreffen Gerichtskosten, Landwirtschaftssachen und Arbeitsrecht./span>

29 Sie betreffen die Verjährung in Privatklageverfahren, verbotene Werbung aus Anlass von Referenden und Krankenversicherung.

30 Zur Erinnerung: Nach der Verbannungdes Vizepräsidenten Biernat in den Urlaub stehen sich acht alteund acht von der PiS-Mehrheut gewählte Richter gegenüber.